Vor ein paar Tagen habe ich von einem Follower aus den USA auf Instagram eine Frage bekommen: "Wie ist es so in Österreich zu leben?" Wien wurde zurecht zu einer der lebenswertesten Städte der Welt erklärt und ich muss zugeben: ich lebe wirklich sehr sehr gerne hier. Ich muss nach stundenlangen herum überlegen sagen, dass das eine wirklich schwierige Frage ist, mit deren Antwort man wahrscheinlich mehrere Bücher füllen kann.
Da ich als Kind auch in den USA und England gelebt habe, habe ich ein bisschen einen Vergleich, denn Großteil meines Lebens habe ich aber in Österreich verbracht. Ich weiß nicht einmal wo ich anfangen soll und möchte dennoch mit den Klischées sind Hollywood und Werbung Österreich aufdrücken brechen.
Anekdoten die es jetzt zu erzählen gäbe existieren wie Sand am Meer, aber irgendwo muss man schließlich anfangen. Ich versuche so gut es geht den politischen Aspekt rauszunehmen, ganz funktionieren wird es trotzdem nicht. Deswegen habe ich beschlossen einfach von ein paar Dingen quer durch den Gemüsegarten von meinem Leben in Österreich zu erzählen.
Eine Sache vorweg: wir Österreicher können mit den Klischees die uns aufgedrückt werden eigentlich oft gar nichts anfangen. Natürlich essen viele von uns gerne Schnitzel und trinken Bier, aber genauso viele von uns haben noch nie „The Sound of Music“ gesehen und jodeln kann ich persönlich erst seit einem lustigen Jodel-Seminar letzten Winter in Kaprun.
In Österreich tickt die Uhr langsamer
Es gibt ein Sprichwort, das besagt: „Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fünfzig Jahre später.“ (Gustav Mahler) und es ist so wahr. In Österreich geht alles langsamer – in jeder Lebenslage die ihr euch vorstellen könnt. Und ich persönlich liebe das. Auch wenn man sich nach einer längeren Zeit in Wien fühlt als wäre man in einer Großstadt, wird einem nach zurückkommen einer Reise nach London, Berlin oder Bangkok erst bewusst wie heimelig und klein Wien und Österreich eigentlich ist und wie entspannt das Leben hier ist.
Hassliebe zu Wien
Viele Österreicher empfinden Wien als eine riesige Stadt, alles ist stressig und viel teurer, die Leute dort sind gestresst und grantig und trotzdem gibt es so viel zu sehen, so viele Geschäfte die es nur in der Hauptstadt gibt und so ist ein Wochenende in Wien ein, zweimal im Jahr einfach drin. Ich persönlich habe Wien schon immer geliebt. Meine Tante lebt hier, ich habe als Kind jeden Sommer mindestens eine Woche hier verbracht und mit meinem Praktikum im Sacher habe ich den Alltag in Wien kennen und lieben gelernt.
Ja, Wien ist schneller als der Rest von Österreich – aber wie in Punkt 1 schon gesagt, es ist trotzdem unglaublich entspannt hier. Natürlich sind Touristenhotspots wie der Stephansdom, Schönbrunn und die Kärntnerstraße sehr busy und voller Menschen. Aber Wien kann auch unglaublich ruhig sein. Picknicken im Augarten, Aperol Spritzer am Donaukanal trinken, den Sonnenaufgang über Wien auf der Jubliläumswarte sehen und die kleinen Straßen im 7. und 8. Bezirk, nur um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wie in jeder anderen Stadt muss man sich abwärts der Touristenpfade umschauen um die Stadt lieben zu lernen.
Wir lieben unsere Coffeedates
Als ich klein war habe ich öfter mal am Wochenende bei meiner Oma geschlafen. Ich kann mich gut erinnern, dass der Samstag Vormittag für Kaffee trinken mit ihren Freundinnen in der Stadt reserviert war und ab und zu durfte ich mitkommen. Diese Tradition zieht sich glaube ich durch alle Mädels-Freundinnen Gruppen in Österreich die ich kenne. Während es in Villach, der Stadt in der ich großteils aufgewachsen bin, nur zwei oder drei nette Cafés gab, haben wir seit wir in Wien wohnen die Qual der Wahl und mein Lieblingscafé wechselt gefühlt alle zwei Monate. In Österreich trinkt man übrigens meistens „Verlängerten“ – was eigentlich nur ein Espresso mit mehr Wasser ist. Wenn man gerade erst mit dem Kaffee trinken anfängt, trinkt man zu beginn meist Café Latte oder Latte Macchiato – viel Milch um so viel vom Kaffeegeschmack zu überdecken. Irgendwie zwingt man sich ja doch Kaffee zu mögen um erwachsen zu sein, oder ging es da nur mir so? Wie man an den Kaffeesorten hört, hat Österreich hier einiges von Italien abgekupfert. Ganz logisch, da wir ja Nachbarn sind. Übrigens: die Kaffeekultur in Österreich wurde sogar zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt!
Vegan in Österreich: es wird immer einfacher!
Seit nun mehr als drei Jahr esse ich keine tierischen Produkte mehr – und ich muss ehrlich sagen – es wird immer leicht. Nämlich wenn es darum geht etwas auf der Karte zu finden. Anders ist es am Land: vor allem bei Familientreffen mit ausgewählten Menüs ist das für mich immer wieder stressig – schließlich will ich niemanden auf die Füße treten. In nahezu jedem Restaurant oder Gasthaus in Österreich werdet ihr Schnitzel, Zwiebelrostbraten und Kaiserschmarren finden. Die vegetarische Alternative ist in vielen Lokalen meistens frittiertes Gemüse, Nudeln mit Tomatensauce oder Krautfleckerln. Während es in Wien inzwischen viele vegan Lokale gibt und andere Restaurants immer mehrere vegane Optionen anbieten, ist es am Land nicht immer leicht. Der Notfallplan ist dann meistens Pommes und Salat – auch nicht gerade gesund.
Hier kann sich Österreich wirklich was von anderen Ländern abschauen. Aber wie schon in Punkt 1 erwähnt: in Österreich läuft einfach alles ein bisschen langsamer und so muss ich wohl einfach noch ein bisschen geduldig sein. Für alle die das selbe Problem haben: ich habe jetzt vor kurzem die App Happy Cow entdeckt, und sogar ein komplett veganes Lokal in Kärnten gefunden!
Winter auf der Piste
Während man im Sommer nach Kärnten an die Seen zieht, ist der Winter fürs Skifahren oder zumindest Skirennen schauen reserviert. Für mich ist nichts mehr „Winter“ wie die Stimme des Kommentators auf ORF 1 bei diversen Skirennen, wenn es heißt „nur 3 Hundertstel hinter…“. Während meine ganze Familie gespannt auf den Fernseher starrt und jubelt, wenn ein österreichischer Skifahrer oder eine Skifahrerin loslegt. Genauso gut können wir uns übrigens über die Tatsache streiten welcher Eishockey-Club jetzt der beste ist.
Und Sommer am See
Im Sommer ist gefühlt jeder den ich kenne mindestens ein Wochenende in Kärnten und ich bin sehr glücklich hier aufgewachsen zu sein. Während für viele die Berge bedrohlich sind und man sich von ihnen in den Tälern vielleicht eingesperrt fühlt, ist das für mich ein sehr beschützendes Gefühl und mein zu Hause. Die Seen gibt es in Österreich überall – in Kärnten finde ich sie aber besonders schön. Wusstet ihr, dass die Kärntner Seen alle Trinkwasserqualität haben?
„Das geht sich aus“
Zwei Phrasen die so typisch österreichisch sind: „Das geht sich aus“ oder auch „das passt“ verwenden wir in jeder Situation. Wenn wir den Knopf der engen Jeans zukriegen, wenn wir uns eine Uhrzeit ausmachen zu der man sich zum Kaffee trinken trifft oder auch wenn wir überlegen ob das Auto in die Parklücke passt. Das Gegenteil davon ist „Des geht sich nicht aus“ – etwas das wahrscheinlich nur wir Österreicher sagen würden – tagein tagaus. Ich habe übrigens keine vergleichbare Übersetzung gefunden um deutschen Freunden klar zu machen wann man diese Phrase nutzt. Am besten einfach bei jeder Gelegenheit – es passt wirklich fast immer.
Probleme lösen auf Österreichisch
Das ist die österreichische Lösung für quasi jedes Problem. Bei der Suche nach einer Lösung will nicht anecken, niemanden angreifen und trifft so am Ende eigentlich gar keine Entscheidung. Man versucht einen Kompromiss zu finden, am Ende ist aber niemand zufrieden. Eine „Nicht Fisch, nicht Fleisch“-Lösung ist einfach typisch österreichisch und beschreibt uns eigentlich ganz gut. Diese Mentalität zieht sich übrigens durch sämtliche Bereiche – vor allem in der Politik. Und so kommt es, dass vor allem die Wiener quasi immer was zu jammern und zu „sudern“ wie man hier so schön sagt haben. Das ist aber quasi schon ein Charakterzug und macht die „grantigen“ Wiener einzigartig.
Zusammengefasst? Wir Österreicher sind eigentlich eh ziemlich normal und doch ganz speziell. Auch wenn wir selbst immer glauben, dass Österreich unglaublich wichtig wäre, sind wir eigentlich nur ein kleiner Fleck in Form eines Schnitzels irgendwo mitten in Europa. Ich bin mir bewusst, das jede Menge Sachen auf dieser Liste fehlen, aber ich würde unglaublich gerne wissen was für euch „Typisch Österreichisch“ ist! Schreibt es doch unten in ein Kommentar, ich freue mich sehr.
Josefine
April 10, 2018Wir waren vor zwei Jahren in Wien und fanden es herrlich! Ein Highlight war mit der Straßenbahn bis zur Enthaltestelle und ab in die Heurigen- Aussicht genießen und lecker Wein schlürfen
Victoria
April 10, 2018Oh ja die Heurigen sind so schön! Ich freu mich jetzt auch schon wieder darauf, jetzt wo es ein bisschen warm ist! 🙂
Rene
Juni 12, 2021I mein, „lecker wein schlürfen“ – do gehts schau los…
Asti
Februar 1, 2022Ich fühle mich in Österreich nicht wohl, was die Mentalität angeht und ich bin hier geboren. Ich möchte auf keinen einzelnen Menschen schimpfen, aber man hat es schwer als Fremder oder etwas anders Denkender. Das muss man zugeben. Ich hab das Glück, dass ich einen Partner aus Athen habe, wo ich immer wieder hin fahren kann. Die Griechen sind sehr familiär und locker. Ich mag den Süden sehr. Aber dennoch gibt es teilweise schöne Natur in Österreich. Den meisten geht es auch recht gut materiell, dennoch jammern sie. Schade. Man könnte hierzulande etwas offener sein.
Liebe Grüße
Andreas
Januar 31, 2019„„Des geht sich nicht aus“ – etwas das wahrscheinlich nur wir Österreicher sagen würden“
–> Oder jeder in Bayern. Und es heißt: „Es müsste gerade noch so hinhauen / funktionieren“.
„Des geht se ned aus (bayerisch)“: Das reicht nicht mehr ganz / haut nicht mehr ganz hin.
Victoria
Februar 1, 2019Ach lustig! Ich bin ja gerade auch in München und bis jetzt hat das noch niemand hier gekannt 🙂 Kommt vielleicht auch darauf an wo man in Bayern ist 🙂
helga
April 5, 2019Toll, wenn man so stark vom Herzen sein Heimatland liebt. Österreich scheint wirklich attraktiv für den durchschnittlichen Alltag. Meine Freundin wünscht sich auch gerne eine Wohnung irgendwo in einer Ferienregion gerne. Da könnte man wenigstens Abwechslung in diesem anstrengendem Alltag machen.
Anne Bonny
Oktober 8, 2019Mein Freund und ich planen ein langes Wochenende in Österreich. Uns ist es wichtig den stressigen Alltag mal so richtig hinter uns zu lassen. Ich finde die Idee, dass alles etwas langsamer in Österreich geht daher sehr ansprechend.
Victoria
Oktober 12, 2019Ich wünsche euch ganz viel Spaß bei eurem langen Wochenende! Lasst es euch gut gehen 🙂
Alles Liebe,
Victoria
Dietrich Bachmann
April 15, 2020Als Familie überlegen wir uns, ob wir nach Österreich ziehen möchten. Ich habe ein Arbeitsangebot bekommen und es wäre eine tolle Gelegenheit. Wir besuchen Österreich gern immer wieder und das stimmt, dass es besonderes Gefühl im Land gibt. Alles geht etwas langsamer und gemütlicher. Die Menschen sind etwas ruhiger würde ich sagen. Es ist schwer, die eigene Heimat zu verlassen, aber man kann sich überall zu Hause fühlen. Wir suchen nach Wohnmöglichkeiten und wenn es was gibt, was uns gefällt, ich glaube wir ziehen nach Österreich.
Victoria
April 15, 2020Ach spannend! Ich wünsch euch/dir ganz viel Glück und eine wunderbare Zeit in Österreich 🙂 Ich bin ja inzwischen umgezogen und vermiss die Heimat sehr!
Tom
Januar 9, 2021Als gebürtiger Niederländer der in Österreich aufgewachsen ist, muss ich sagen das mir die Deutschen viel entspannter rüberkommen wenn es um Probleme geht! Der Österreicher droht sofort mit Anwalt während der Deutsche viel cooler bleibt, besonders im Ruhrgebiet: alles gut Junge, mach dir da mal keinen Kopf, aufn Pott Kaffee und dann gucken wir wat wir machen können
Der Wiener: i zeig die an du Oarschloch!
So viel zu dem Thema wienerische Gemütlichkeit………
Christiane
August 31, 2022Ich bin eine Österreicherin, die in Berlin lebt. So oft es geht, bin ich im Urlaub in Österreich.
Typisch ist für mich, dass man sich grüßt. Ein „Grüße Gott“ oder nur kurzes „Griaß di“ beim Vorbeigehen oder Eintreten in ein Geschäft.
Das ist so nett. Mache ich das in Berlin, werde ich seltsam angeschaut.
Im Geschäft werden einem in Österreich Semmeln hergerichtet, versucht das mal in Berlin ;). Ach ja, österreichische Kinder in den Bergen haben im Sportunterricht das Fach Skifahren!
Victoria Koffler
August 31, 2022Wirklich, macht man das in Berlin nicht? Das mit den Semmeln kenn ich! Wenn ich meinem Mann sage, er soll bitte Semmeln mitbringen, kommen da immer die wildesten Sachen fürs Frühstück auf den Tisch 😀