Mein erster Flug als richtige Flugbegleiterin - das fühlt sich an als wäre es erst gestern gewesen. Ich glaube kein Flugbegleiter oder auch Pilot wird seinen allerersten Flug jemals vergessen. Heute erzähle ich euch endlich davon!
Das erste Mal als Flugbegleiterin über das Rollfeld gehen. Neuer Koffer, neue Uniform, die Haare zum perfekten Dutt gebunden und die Aufregung, die man mir deutlich ansehen konnte. Ein Blick hinauf zum Flugzeug, die A340-600 Maschine sah so riesig aus und ich konnte gar nicht glauben, was gerade passiert! Jahrelang war ich fasziniert von den Flugbegleiterinnen auf meinen privaten Flügen und habe überlegt wer sie wohl sind und wie der Job wohl aussieht. Und plötzlich war ich eine von ihnen.
Erzähl doch mal von deinem ersten Mal als Flugbegleiterin
Der Tag in meiner Ausbildung zur Flugbegleiterin, an dem ich meine drei Probeflüge bekommen habe, war was ganz besonderes. Darauf warteten wir alle gespannt und ich habe mich so gefreut über meine Destinationen: Washington, Mumbai und Shanghai. Ich hatte großes Glück und konnte es kaum erwarten los zu fliegen. Ich zählte die Tage, übte mein Make-up und meine Frisur und ging immer wieder die Abläufe, Kommandos und Notfall-Szenarien durch. Ich wollte mich im Briefing nicht blamieren und war auch fast zwei Stunden vor Briefing-Beginn schon auf der Basis. Ich fühlte mich ein bisschen wie vor einer großen Prüfung und wollte auf keinen Fall irgendwas falsch machen. Tja, ich wusste ja nicht, was an diesem Tag noch auf mich zukommen würde!
Was kann alles schief gehen auf meinem ersten Flug als Flugbegleiterin?
Auf der Kurzstrecke ist es ganz normal, dass die Flugbegleiter die Passagiere mit einem kleinen „Tanz“ einweisen. Sicherheitsgurt, Sauerstoffmaske, Schwimmweste, Schutzhaltung und Notausgänge – diese Vorführung habe ich in meiner Ausbildung zwar gelernt, ich war aber nicht darauf vorbereitet, es gleich beim ersten Flug vor 300 Menschen vorzutanzen. Bei Flugzeuge mit Bildschirmen läuft diese Einweisung automatisch ab, irgendwie machte uns die Technik in diesem Moment aber einen Strich durch die Rechnung. Irgendjemand drückte mir das Demo-Kit in die Hand und schon sollte es los gehen. Auf meiner Brust war ein großer „Trainee“-Button gepinnt und ich stand plötzlich vor einer Gruppe amerikanischer Teenager, die mich anstarrten. Plötzlich wurde mir ganz heiß, die Kollegin war hatte ihre Schwimmweste schon über den Kopf gezogen und ich verhedderte mich ständig mit den Gurten. Einer der Teenager lächelte mich an und zeigte mit den Daumen nach oben. Ich grinste nervös zurück und brachte die Vorführung so schnell wie möglich zu Ende.
„Entschuldigen Sie bitte, ich glaube Ihre Uniform ist kaputt!“
Danach lief alles eigentlich ganz gut. Ich war am Essens-Wagen, schob den schweren Wagen den Gang rauf und runter und dachte mir: „Läuft doch!“ Keine Zwischenfälle, allen Passagieren ging es gut und wir hatten auch kaum Turbulenzen. Und dann passierte es: eine Kollegin tippt mir auf die Schulter und flüstert mir ins Ohr: „Dein Rock ist hinten aufgegangen!“ Ein Blick in den Spiegel verriet nichts gutes. Der Reissverschluss meines Rockes war von unten nach oben aufgegangen. Ich war gut vorbereitet und hatte einen Ersatzrock dabei. Schnell umziehen und weiter geht’s! Schön wärs. Einige Stunden später kam es nämlich noch schlimmer. Ein Passagier machte mich darauf aufmerksam, dass er meine Strumpfhose sehen konnte! Ich griff nach hinten und wurde rot. Der zweite Rock war auf die gleiche Weise kaputt gegangen. Ich lief schnell in die Küche und musste fast weinen. Die Kollegin von vorher schnappte sich schnell ihre Tasche und zog mich ins Crewrest (unser Ruhebereich für die Pausen im Flieger). Sie holte ein Näh-Kit aus ihrer Tasche und fing tatsächlich meinen Rock zuzunähen und mit Sicherheitsnadeln zu fixieren. Dabei gingen gleich zwei Nadeln kaputt. Ich war ihr so dankbar und tatsächlich hielt diese Konstruktion bis wir in Washington DC gelandet sind.
Angekommen im Hotel musste ich mich dann erstmal aus dem Rock schneiden. Die Kollegin hatte wirklich super Arbeit geleistet, aber ich kam einfach nicht mehr aus dem Rock raus. Mit meinem Schlüssel riss ich die Nähte wieder auf und lies mich aufs Bett fallen. Ein Blick aufs Handy verriet, dass ich nur noch ein wenig Akku hatte. Ich kramte in meiner Tasche: Wechselstecker, iPad Ladekabel, Laptop Ladekabel – alles da. Außer mein Handyladekabel. In meiner Aufregung musste ich ja irgendwas vergessen. Ich traute mich nicht mehr bei den Kollegen anzurufen, es war schon nach 22 Uhr.
Als Kind habe ich zwar in den USA gelebt, aber ich hatte keine Ahnung ob und wo ich um diese Uhrzeit jetzt noch ein Kabel herbekommen könnte. Schnell fand ich heraus das CVS und Walgreens die Retter in meiner Not waren. 24 Stunden geöffnet und man bekommt hier wirklich alles. Der nächste Laden war nur 5 Minuten zu Fuss entfernt und ich machte mich auf den Weg. Ausgestattet mit einem neuen Ladestecker, jeder Menge amerikanischer Süßigkeiten und einem neuen Näh-Kit, stellte ich mich an der Kassa an. Dabei bahnte sich die nächste Katastrophe an. Kurz vor der Fliegerei hatte ich eine neue Kreditkarte zugeschickt bekommen inkl. neuen Code. Ich stand seelenruhig an, als es mir durch den Kopf schoss: „Wie geht nochmal der neue Code? Brauche ich den Code überhaupt bei unter 20 Dollar?“ Ich war an der Reihe, scannte meine Einkäufe und klickte auf Credit Card. Auf gut Glück hielt ich die Karte ans Gerät und zum Glück wurde die Zahlung bestätigt. Ich machte ein kurzes „Puh!“ und der Security an der Tür schaute mich prüfend an. Schnell nahm ich all mein Zeug und verlies den Laden.
In meinem ersten Layover war ich natürlich Sightseeing-Modus: Weißes Haus, Lincoln Memorial, National Mall, ein langer Spaziergang durch Georgetown. Ein paar Kolleginnen und ich trafen uns zum Frühstück und wir verbrachten den ganzen Tag zusammen. Hier ein paar Bilder von diesem Tag.
Mixe niemals Tomatensaft mit Sprite und einer Portion Pasta bei Turbulenzen
Spulen wir zum Rückflug vor. Ich hatte ein tolles Layover und wollte mich vor dem Rückflug nochmal kurz hinlegen. Ich war aber wieder mal viel zu aufgeregt um zu schlafen und meine Gedanken kreisten um die Flugvorbereitung, den Jetlag und ob ich alles richtig machen würde. Endlich kam der Wakeup-Call, eine Stunde bevor es wieder zum Flughafen ging. Ich machte mich fertig, nähte mich wieder in den Rock ein (diesmal zerstörte ich dabei nur eine Nadel) und los ging es. Im Flugzeug angekommen, gab es ein kurzes Briefing. Der Kapitän warnte uns vor einigen Turbulenzen und vor der Müdigkeit. Wie die meisten Flüge von den USA zurück nach Deutschland, war auch das ein Nachtflug und wir sollten am frühen Vormittag wieder in München landen.
Diesmal lief alles reibungslos: meine Uniform hielt endlich, die Technik funktionierte und die meisten Gäste wollten sowieso einfach schnell einschlafen. In meiner Wache saß ich hinten mit der Kollegin und begann ich einige Getränke durcheinander zu trinken. Zuerst ein Becher Sprite, danach Tomatensaft, gefolgt von Cola und Apfelsaft. Dazu aß ich eine der berühmt berüchtigten Aluschalen (so nennen wir das Essen in der Economyclass). Plötzlich war es soweit und der Flieger begann heftig zu wackeln. Ich stand gerade in der hinteren Galley, also ganz am Ende des Fliegers. Dort sind die Turbulenzen besonders stark. Wir mussten schnell alle Sachen verstauen und sichern. Dabei wurde ich ziemlich durchgeschüttelt und ich merkte, dass es mir überhaupt nicht gut geht. Turbulenzen fühlen sich nämlich ganz anders an, wenn man steht! Die Anschnallzeichen gingen an und wir setzten uns alle hin und warteten, dass es aufhört. Plötzlich merkte ich, dass mir richtig übel wurde. Ich versuchte es wegzuatmen und fixierte einen Punkt in der Küche. Nach einigen Minuten war es zum Glück vorbei und ich entschuldigte mich schnell auf die Toilette. Ich erspare euch die Einzelheiten, aber ihr könnt euch denken was dort passiert ist. Seitdem kann ich am Board nur noch Wasser trinken. Zurück bei den Kollegen fragten die anderen mich ob alles in Ordnung sei. Tatsächlich ging es mir nun schon viel besser.
Bin ich jetzt eine richtige Flugbegleiterin?
Ich konnte mir weitere Toilettengänge bis zur Landung ersparen und war dennoch froh wieder in München zu landen. Dort wartete eine süße Überraschung auf mich: als neue Flugbegleiterinnen hatten die Kollegen ein kleines Geschenk für uns, wir machten Abschiedsfotos und ich bekam noch ein Feedback von den Kollegen. Sie empfahlen mir meinen Rock zurückzugeben, alles andere war super. Wir verliesen das Flugzeug, fuhren zurück zur Basis und verabschiedeten uns.
Als ich mich gerade auf dem Weg zur S-Bahn machen wollte, stand plötzlich meine damalige Mitbewohnerin (sie war auch Flugbegleiterin) vor mir. Sie wollte mich überraschen und hatte mich mit dem Auto abgeholt. Ich war so dankbar – vor allem als ich sah, dass sie jede Menge Snacks und Wasser für den Heimweg besorgt hatte – seit der Aluschale hatte ich mich nicht mehr getraut etwas zu essen. Zuhause angekommen wollte ich mich dann nur noch ins Bett legen, mein Körper war durch die Turbulenzen immer noch ein bisschen angeschlagen und ich war hundemüde. Ich machte den Fehler ohne Wecker einfach einzuschlafen und wurde kurz vor Mitternacht wach und konnte kein Auge mehr zumachen. Gleichzeitig war ich so glücklich! Meine Ausbildung war zwar noch nicht zu Ende, aber endlich fühlte ich mich wie eine richtige Flugbegleiterin.
Und das war’s dann schon! Ich hab auf meinem ersten Flug als Flugbegleiterin echt viel gelernt. Zum Beispiel wie wichtig es ist einen guten Schneider zu haben, der die Uniform ausbessert. Und dass man sich an die Turbulenzen erst gewöhnen muss. Ich blicke gern auf diese Zeit zurück, vor allem jetzt in so unschönen Zeiten.
Neugierig geworden? Hier könnt ihr mehr zu meinem Leben als Flugbegleiterin lesen
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