*Disclaimer: Immer wieder werde ich nach meiner Einschätzung als Flugbegleiterin zu Reisen nach und während Corona gefragt. In diesem Beitrag gebe ich meine persönliche und subjektive Meinung und Einschätzung dazu ab.
Als Flugbegleiterin weißt du da ja bestimmt mehr, oder?
Seit dem Stillstand der Flugzeuge habe ich von Verwandten, Freunden und natürlich auch von euch jede Menge Fragen zu Reisen während und nach Corona bekommen. „Mein Flug nach Marrakech im Juni wurde bis jetzt nicht gecancelt – glaubst du der geht noch raus und ich kann wirklich fliegen?“ oder „Bist du jetzt in Kurzarbeit oder wurdest du schon gekündigt?“ – du als Flugbegleiterin musst ja ganz genau Bescheid wissen, oder?
Im Moment befinde ich mich in kompletter Kurzarbeit, sprich: ich fliege im Moment genauso wenig wie ihr. Wann und womit es weitergeht kann auch ich nicht sagen. Zum einen verrate ich ja nicht bei welcher Airline ich arbeite, deswegen kann ich am Blog auch nicht verkünden, dass meine Airline ab dem x. Juli wieder anfängt zu fliegen. Darüber hinaus weiß ich selbst nicht wie und wann es weitergeht. Die Rückholaktionen sind abgeschlossen, eine zweite Welle wird erwartet, gleichzeitig verkünden Billigflieger ihre Flugpläne ab Juli auf 40% zu steigern. Die Informationen und vor allem Gerüchte überschlagen sich zurzeit. Vieles davon ist Taktik und Blödsinn. Denn auch, wenn eine gewisse irische Airline am liebsten schon gestern wieder sämtliche Länder anfliegen würde, steht und fällt es mit den Bestimmungen der Länder selbst.
Viele Airlines ist bereits jetzt schon das Geld ausgegangen, anderen steht das ganze noch bevor. Und heute weiß wahrscheinlich auch noch niemand, wie es mit einer zweiten oder gar dritten Infektionswelle weitergeht. Business as usual? Kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Reisen im eigenen Land und innerhalb Europas
Im Moment besteht noch eine Reisewarnung bis zum 14. Juni 2020 (Stand: 14. Mai 2020). Die Grenze zwischen Deutschland und Österreich wird Mitte Juni geöffnet. Und wer weiß, wann wir überhaupt wieder Fernreisen machen können? Diesen Sommer wird der Tourismus im eigenen Land und in der DACH-Region steigen – und das finde ich toll! Ich habe selbst in einem kleinen Tourismusbüro am Faaker See gearbeitet und weiß, wie viel Mühe sich manche Pensionen und kleine Hotels geben. Das eigene Land neu entdecken, mit dem Zelt an den See fahren oder einen Roadtrip durch Österreich machen – da bin ich dabei!
Bewusste und längere Reisen
Wir alle sitzen zu Hause, träumen uns in ans andere Ende der Welt und können es gar nicht erwarten, die verschobenen und stornierten Reisen nachzuholen. Mir geht es da ganz ähnlich: im Februar war ein langer Trip nach Südostasien mit Thailand, Malaysia und Singapur geplant. Meine Familie lebt dort und ich kann es kaum erwarten, diese Reise nachzuholen. Und wenn es dann endlich soweit ist, wird die Zeit viel bewusster wahrgenommen und ich werde das grenzenlose Reisen viel, viel mehr zu schätzen wissen.
Für ein Shoppingwochenende nach London, ein schneller Städtetrip mit dem Flieger nach Rom für unter 100 Euro hin- und zurück – damit ist meiner Meinung nach erstmal Schluss. Warum? Ganz einfach, weil:
- wurden wohl die meisten Lowcost-Airlines nicht vom jeweiligen Staat gerettet und können damit nicht mehr den Betrieb aufrecht erhalten
- haben viele Menschen ihren Job verloren und damit gar kein Geld für solche Späße
Wer für ein Wochenende einen Städtetrip machen will, wird dies wahrscheinlich mit dem Zug oder Bus machen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass der ein oder andere sich einen VW-Bus oder einen Wohnwagen zulegt und damit Europa entdecken beginnt. Wer es sich leisten kann zu fliegen, der bleibt gleich länger vor Ort um so viel wie möglich zu sehen und zu machen – anderenfalls hätte sich das teure Flugticket ja gar nicht gelohnt.
Wann können wir wieder reisen?
Einige Experten gehen davon aus, dass eine kleine Reisewelle gegen Mitte/Ende des Sommers 2020 startet. Auf der anderen Seite heißt es: erst wenn ein Impfstoff gefunden wurde, kann man wieder ohne Sorgen in den Urlaub fliegen. Die zweite oder gar dritte Welle ist dabei ein großes Thema. Fakt ist, dass einige Airlines schon einen erweiterten Flugplan ab Juli für innereuropäische Ziele wie Spanien und Griechenland ankündigen. Wohin, wie oft und ob überhaupt ist zum heutigen Stand aber noch nicht klar. Ich gehe aber davon aus, dass zu erst die innereuropäischen Strecken wieder starten.
Und die Langstrecke? Darauf weiß ich auch keine Antwort, denn ich glaube hier spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Wie geht es in den USA weiter? Wird Trump wieder gewählt? Bricht in Wuhan gerade eine zweite Welle aus? Und schränkt damit auch Asien wieder völlig ein?
Wie werden wir in Zukunft fliegen? Schnelltests, Desinfektion und Service an Board – meine Einschätzung als Flugbegleiterin
Eines kann ich garantiert sagen: wenn wir dann irgendwann wieder im Flugzeug sitzen, wird sich vieles ändern.
Wie wird der Service in Zukunft an Board aussehen?
Zudem wird der Service an Board (zumindest zu Beginn) deutlich eingeschränkt sein – zu groß die Gefahr einer möglichen Ansteckung. Viele Airlines haben schon jetzt angekündigt vorerst Wasser nur in Flaschen auszugeben. Auf einem kurzen Flug von Berlin nach Stockholm braucht man auch nicht unbedingt eine große Auswahl oder gar eine warme Mahlzeit an Board. Aber wie schaut es mit Wien – Los Angeles aus? Hoch oben über den Wolken dehydriert der Körper sowieso schon schneller – und wir wissen alle wie ungemütlich man werden kann, wenn der Hunger ruft. Zum Essen und Trinken muss dann natürlich die Maske abgenommen werden. Ich bin selbst sehr gespannt was die Airlines sich hierzu einfallen lassen werden.
Bestätigung der eigenen Gesundheit
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Reisende in Zukunft eine Art „Immunitätspass“ mitführen müssen – ähnlich wie die Gelbfieberkarte, die es beispielsweise in Südamerika gibt.Im Flieger selbst wird man viel mehr Atemschutzmasken sehen. Bevor es aber überhaupt losgeht, werden wir uns wohl Schnelltest aussetzen müssen, um die Ansteckungsrate so niedrig wie möglich zu halten. Diese Sicherheitsmaßnahme wird garantiert von sämtlichen Airlines durchgesetzt werden – sowohl bei den Passagieren, als auch bei der Crew.
Temperaturscanner und Desinfektionstunnel
In Asien, beispielsweise in Hong Kong werden sie schon getestet: sogenannte „Desinfektionstunnel“ – die Reisende durchlaufen müssen. Andere Airlines setzten auf Temperaturmessungen in Selbstbedienungskioske. Dort werden nicht nur die Temperatur der Reisenden gemessen, sondern auch Atem- und Herzfrequenz. Ähnlich wie die Kioske in den USA, bei denen wir unsere Visa scannen müssen, werden wir dies wohl in Zukunft auch vor dem Flug mit unserer Gesundheit machen müssen.
Das Ende von Boardmagazinen
Wer kennt sie nicht: die Boardmagazine, Spuktüte und Sicherheitskarte in den Sitztaschen. Um die Weiterverbreitung der Viren zu vermeiden, kann ich mir gut vorstellen, dass hier einige Änderungen auf uns zukommen. Ganz sicher ist aber, dass die Sicherheitskarten nicht komplett verschwinden – stattdessen könnten sie an den Vordersitz geklebt werden.
Social distancing im Flugzeug
Ein weiterer Punkt wird die Platzverteilung im Flugzeug selbst sein. Während man auf der Straße Leuten gut ausweichen kann, ist das im Flugzeug ziemlich schwierig. Wie kann man also hier eine Ansteckung reduzieren? Plexiglas-Scheiben zwischen den Passagieren? Mittelsitze freihalten? Den Abstand zwischen Reihe und Sitze vergrößern? Das alles natürlich unter dem Aspekt, dass damit das Flugzeug viel leerer sein wird und damit auch weniger Tickets verkauft werden können.
Längere Turnaround-Zeiten
Für alle Nichtflieger kurz zur Erklärung: Das sogenannte „Turnaround“ ist die Zeit zwischen Ankunft und Abflug. Wir landen in Berlin, die Passagiere steigen aus, das Flugzeug wird geputzt, überprüft und neu becatert, danach steigen die nächsten Passagiere steigen ein. Ich kann mir vorstellen, dass die Reinigung des Flugzeugs von nun an länger dauert und sich damit die Turnaround-Zeit auch verlängert.
Reisende müssen früher am Flughafen sein
Passagiere brauchen in Zukunft wohl auch länger um sämtliche Tests, Desinfektionstunnel und mehr zu durchlaufen. Das gleiche Spiel müssen wir wohl auch beim Verlassen des Flughafens an unserem Ziel erwarten – damit benötigen wir für die Reise selbst mehr Zeit und können nicht mehr kurz vor knapp einchecken.
Airlines werden vorerst keine neuen Flugbegleiter und Piloten suchen
Viele Airlines sind von der Bildfläche verschwunden – andere mussten jede Menge Flugbegleiter und Piloten entlassen oder in Kurzarbeit und Teilzeit schicken. Bis die Auslastung wieder auf Vor-Corona-Zeiten ist, werden deswegen Airlines wohl kaum neue Flugbegleiter und Piloten ausbilden.
Für Piloten in der Ausbildung ist das übrigens besonders schlimm, denn ihre Ausbildung kostet um die 100.000 Euro und muss selbst bezahlt werden. Die müssen nun nicht nur einen Kredit abbezahlen, nein sie sind auch arbeitslos und müssen die Zeit, bis wieder neue Piloten eingestellt werden, so gut wie möglich überbrücken. Bei uns Flugbegleitern ist die ganze Sache finanziell nicht ganz so dramatisch, aber wohl genauso traurig. Ich kenne einige neue Flugbegleiter, die gerade mitten in der Ausbildung waren und dem Traum vom Fliegerleben schon so nah vor sich hatten. Die Kurse wurden frühzeitig beendet, aus der Fliegerei wird vorerst mal nichts.
Alle warten auf den Impfstoff
Eins ist klar: solange es keinen Impfstoff gibt, der in großen Massen hergestellt wird, bleibt bei jeder Reise Angst und Ungewissheit im Hinterkopf. Und bis es soweit ist, werden wir alle wohl unsere nähere Umgebung bestens kennen und eine große Reise dann umso mehr zu schätzen wissen. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass wir in ein paar Monaten wieder in den „Normalzustand“ vor Corona verfallen – und darüber bin ich auch gar nicht allzu traurig. War denn wirklich alles so perfekt? Sollten wir diese Chance nicht für einen Neustart nutzen – um die Welt wieder ein bisschen grüner und gesünder zu gestalten und unsere Reisen ganz bewusst wahrzunehmen.
Wie schon anfangs erwähnt ist das nur meine persönliche Meinung und Einschätzung. Wie siehst du das ganze? Glaubst du wir können 2020 wieder fliegen? Wenn ja, zu welchen Bedingungen? Ich bin sehr gespannt auf deine Meinung, also lass mir gerne ein Kommentar da!
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Anja
Mai 16, 2020Hallo Victoria,
vielen Dank für deine Einschätzung, das war sehr interessant zu lesen.
Ich habe in einem Monat einen Flug nach Griechenland, der vermutlich storniert wird. Da das Fliegen wohl sehr viel komplizierter und vielleicht auch teurer wird, plane ich erstmal nur Autoreisen.
Liebe Grüße
Anja
Victoria
Mai 16, 2020Liebe Anja,
es freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat! Griechenland steht tatsächlich ganz oben auf der Liste der Ziele die wohl bald wieder angeflogen werden – vielleicht hast du ja noch Glück!
Liebe Grüße,
Victoria
Joachim Hussing
August 3, 2020Danke, dass Sie diesen Blog über Reisen mit anderen teilen. Ich hoffe, nächstes Jahr reisen zu können. Es würde Spaß machen, die Welt sicher und kostengünstig bereisen zu können.
Victoria Koffler
August 4, 2020Danke dir! Mir macht das auch nach 6 Jahren immer noch so viel Spass 🙂
Laura
Oktober 29, 2020Vielen Dank zu deiner Einschätzung, wann es wieder möglich ist zu Reisen, Im Moment können wir auf Alternativen umsteigen. Meine Schwester denkt über eine Busreise nach.
Victoria Koffler
Oktober 30, 2020Mit einem Bus ist man natürlich besonders unabhängig, man muss aber Quarantänemassnahmen beachten 🙂
Manfred
November 19, 2020Ich denke auch, dass die kurzen Städtetrips weniger werden. Das wäre ja auch im Hinblick auf den Klimawandel wünschenswert. Die Klassenfahrt meines Sohnes sollte auch eigentlich mit dem Flugzeug gemacht werden. Die Kinder haben sich dann aber für einen Reisebus entschieden. Der wird ab Bayreuth angemietet und soll sie im Juni nach Spanien bringen.
Joachim Hussing
Januar 15, 2021Danke für die Info über das Reisen. Ich hoffe, dass ich in naher Zukunft wieder reisen kann. Meine Frau und ich denken darüber nach, mit dem Bus zu reisen, wenn wir in der Lage sind, es zu schaffen.
Marie Krause
Februar 3, 2021Ich finde die ganze Situation mit Corona natürlich auch in vielerlei Hinsicht schrecklich und ermüdend. Aber vielleicht ist es tatsächlich mal die Gelegenheit, um den Tourismus im eigenen Land etwas zu fördern und zu unterstützen. Wir wollten zwar auch mit der Familie ursprünglich nach Spanien, aber jetzt überlegen wir uns einen angenehmen und naturnahen Urlaub in Österreich.
Victoria Koffler
Februar 12, 2021Hallo Marie!
Auf jeden Fall, das habe ich letztes Jahr auch schon so gemacht! Österreich und Deutschland haben soooo schöne Ecken und in den letzten Monaten haben wir viele Ausflüge hier in Bayern gemacht.
Liebe Grüße, Victoria